Alltagswaffen

Ich trage - Stand August 2023 - regelmäßig ein Taschenmesser. Dies ist ganz legal, weil es sich um ein Gebrauchsmesser mit feststellbarer Klinge handelt, das über keine konstruktive Vorrichtung zum einhändigen Öffnen verfügt. Unsere Innenministerin, Nancy Faeser (SPD), ist der Meinung, dass Deutschland sicherer wird, wenn mir und allen anderen Menschen dieses verboten wird. Es sollen nur noch Messer mit maximal 4 cm Klingenlänge erlaubt sein.

Der entsprechende Gesetzentwurf zum Waffenrecht wurde von der FDP bzw. Bundesfinanzminister Lindner kalt gestoppt, wohl weniger im Hinblick auf die Träger von Taschenmessern als auf die Interessen von Sportschützen und Jägern, die von der Waffenrechtsreform auch betroffen wären und die eher zu den Einkommensgruppen zählen, die die FDP wählen.

Schon jetzt gibt es sogenannte Waffenverbotszonen, in denen nicht nur das Tragen von Waffen verboten ist, sondern auch das von vielen “gefährlichen” Gegenständen (insbesondere Messern), die normalerweise in der Öffentlichkeit getragen werden dürfen. In Hamburg ist dies unter anderem die Reeperbahn. Ich kann mich hier der zugrunde liegenden Logik nicht ganz verschließen. Rotlichtbezirke sind immer “besondere” Nachbarschaften. Außerdem hat man vernünftigerweise das Tragen von amtlich zugelassenen Reizgasdosen erlaubt.

Hinzu kommen Allgemeinverfügungen der Bundespolizei (die Frau Faesers Bundesinnenministerium untersteht) für diverse Bahnhöfe, die immer wieder das Tragen bestimmter Gegenstände verbieten. Wer dort umsteigen muss, lässt sein Taschenmesser zu Hause oder riskiert ein Bußgeld.

Selbstverständlich gehen diese Maßnahmen mit willkürlichen Durchsuchungen durch die Polizei einher. Wer das für eine gute Idee hält, kann sich ja mal mit “stop and search” im Vereinigten Königreich befassen. Die Mordrate in London z.B. liegt deutlich über der in Hamburg. Es scheint nicht so wirklich zu funktionieren. Und je dunkler die Haut eines Menschen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er kontrolliert wird. Das schafft dann ganz neue Probleme.

Waffen sind gemäß § 1 Waffengesetz

  1. Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und

  2. tragbare Gegenstände,

    a) die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen;

    b) die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind.

Ganz allgemein ist es gemäß § 42 a WaffG verboten, in der Öffentlichkeit “Hieb- und Stoßwaffen” zu tragen. Dabei handelt es sich gemäß Unterabschnitt 2 Nummer 1.1 der Anlage 1 zum Waffengesetz um

“… Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich, Schlag oder Wurf Verletzungen beizubringen.”

Kampfmesser oder Schlagstöcke sind somit schon von Gesetzes wegen keine Option. Über die Rechtslage hinaus wird das gesellschaftliche Klima zunehmend eher “hoplophob”, d.h. viele Menschen betrachten Leute, die auch nur ein Klappmesser tragen, mit einem gewissen Misstrauen.

Bei realistischer Betrachtung muss man damit rechnen - wenn nicht davon ausgehen - dass es immer schwieriger wird, auf der Straße etwas bei sich zu tragen, das, wenn schon nicht dazu bestimmt, dann wenigstens dazu geeignet ist, einem in einer Notwehrsituation weiter zu helfen. Daraus ergeben sich drei mögliche Schlussfolgerungen:

a) Man ist jung / groß / stark / trainiert genug, um sich ggf. mit bloßen Händen auch gegen mehrere bzw. bewaffnete Angreifer erfolgreich zu verteidigen.

b) Man trägt etwas bei sich, das man nutzen kann, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen.

c) Man vertraut darauf, dass einem schon nichts passiert. Wir leben in einer extrem friedlichen Gesellschaft. Und allen Unkenrufen von rechts zum Trotz glaube ich nicht, dass wir in absehbarer Zeit in Blut und Mord versinken.

Streng genommen gibt es noch die Option, das Gesetz zu ignorieren. Ich möchte vehement davon abraten. Erstens kann und will ich nicht zu einem Rechtsbruch auffordern. Zweitens drohen empfindliche Bußgelder oder sogar unter bestimmten Umständen eine Vorstrafe.

Ich bin jetzt 59 Jahre alt. Ich habe einen 3. Dan in Karate, Erfahrung in diversen anderen Stilen und trainiere selbstverteidigungsorientiert. Ich halte mich nicht für wehrlos! Aber ich halte mich auch nicht für unbesiegbar. Im Falle eines Falles würde ich lieber nicht mit leeren Händen dastehen. Was also tun?

Es bleibt nur die Option, unauffällige und legale Alltagsgegenstände zielführend einsetzen zu können. Dabei will ich auf juristische Spitzfindigkeiten verzichten. Wir leben nicht in einem Kriegsgebiet. Sozialadäquates Verhalten und Verteidigungsfähigkeit müssen nicht im Widerspruch stehen. Es kann natürlich von der jeweiligen Situation abhängen, was als sozialadäquat gilt. In diesem Aufsatz möchte ich hierzu Möglichkeiten aufzeigen. Zum einen werde ich Gegenstände nennen, die man in der Öffentlichkeit tragen und in der beschriebenen Weise einsetzen kann. Zum anderen werde ich auf Bücher bzw. DVDs hinweisen, die beim Trainieren mit den jeweiligen Gegenständen nützlich sein können. Ein paar eigene Gedanken werde ich auch besteuern.

Wichtig: Dieser Artikel ersetzt keine Rechtsberatung! Gesetze werden verändert. Die Rechtsprechung wandelt sich. Und jeder Einzelfall ist anders. Wer sicher gehen will, muss individuellen Rechtsrat von einem Anwalt einholen.


Äxte und Hämmer
Meines Erachtens ist eine Zimmermannsaxt oder eine Feuerwehraxt oder schlicht ein Hammer keine Waffe im Sinne des Waffengesetzes, sondern ein Werkzeug. Das heißt, wo immer nur die allgemeinen Regeln des Waffengesetzes gelten (keine Waffenverbotszone, keine Allgemeinverfügung), kann man theoretisch mit einem solchen Teil am Gürtel durch die örtliche Fußgängerzone laufen.

Davon rate ich dezidiert ab! Wer das tut, darf sich nicht wundern, wenn er früher oder später das örtliche SEK oder MEK kennenlernt. Mit den Herrschaften kann er dann ja die Rechtslage ventilieren.

Viel Spaß!

Allerdings kann es einem Kampfsportenthusiasten durchaus Freude bereiten, einfach aus Daffke mal den Kampf mit einer Axt zu trainieren. Hierfür empfehle ich folgendes Buch:

“The Fighting Tomahawk: An Illustrated Guide to Using the Tomahawk and Long Knife as Weapons” von Dweight McLemore, 2004, Boulder / Colorado.

Dies ist noch eine Publikation von Paladin Press. Dieser Verlag endete mit dem Tod des Inhaber. Zu seinen Lebzeiten veröffentlichte er alles, aber auch wirklich alles, was mit Kämpfen / Selbstverteidigung / Waffen zu tun hatte. Wer Informationen zur Verteidigung seines Heimes mit Claymore-Minen und selbstgebauten Raketenwerfern suchte, wurde hier fündig (jedenfalls zeitweilig). Aber es gab auch vernünftige Angebote.

Der Autor hat sich überlegt, wie Leute im 18. und 19. Jahrhundert wohl mit dem Tomahawk und dem Bowie-Messer gekämpft. Es gibt hierfür keine historischen Quellen außer Zeitungsberichten. Er hat also alles mühsam rekonstruiert und getestet. Außerdem hat er die Illustrationen im Buch selbst gezeichnet. Es gibt noch einen Folgeband, aber der ist nach meiner Kenntnis nicht mehr verfügbar.

Distanzwaffen

Bestimmte Zwillen (ohne Armstütze) oder Pfeil und Bogen fallen nicht unter das Waffengesetz. Ich werde mich aber mit derartigen Gegenständen aus praktischen Gründen hier nicht befassen. Wenn der Angreifer so weit weg ist, dass der Einsatz einer Distanzwaffe Sinn ergibt, wird man in der Regel weglaufen können. Man schafft wahrscheinlich auch nur einen Schuss, der dann nicht unbedingt mannstoppende Wirkung entfaltet. Und bei einem Bogen muss man erst einmal die Sehne aufspannen. Dazu wird kaum Zeit bestehen.

Und ganz unabhängig von der Rechtslage: Was passiert wohl, wenn jemand wie Green Arrow mit einem aufgespannten Bogen und einem Köcher voller Pfeile herumläuft?

Wurfgeschosse

Solange ein Gegenstand nicht als Wurfgeschoss gedacht ist, kann man ihn bei sich tragen und ggf. jemand an den Kopf werden. Dafür muss dieser Gegenstand aber eine gewisse Masse haben. Und der Wurf muss präzise sein. Das will geübt sein. Und wie viele schwere Steine kann man zum Beispiel bei sich führen, ohne unter dem Gewicht in die Knie zu gehen?

Wenn man - wie ich - einen Bumerang als Sportgerät betrachtet, darf man ihn überall bei sich tragen. Zum Beispiel im Park zum Üben, wenn man niemanden gefährdet. Aber zum Selbstschutz? Ernsthaft? Wir befassen uns hier nur mit Alltagsgegenständen. Mehr oder weniger.

Nur zur Sicherheit: Wurfsterne sind verbotene Gegenstände! Finger weg!


Langstock (ca. 150 cm - 180 cm)

Dies mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, aber unter bestimmten Umständen ergibt ein Langstock durchaus Sinn. Man versetze sich in die Lage zum Beispiel von jemand, der gern auch mal allein wandern geht. Ein Angriff in einer einsamen Gegend ist schlicht ein Alptraum. Einmal kurz zuschlagen und laut um Hilfe schreiend weglaufen - wie in dichter besiedelten Gebieten - funktioniert hier nicht unbedingt. Vielmehr könnte es in der Folge zu einer Hetzjagd im Wald wie in einem billigen Horrorfilm kommen.

Ein Hieb mit einem soliden Stock kann die Situation schnell bereinigen. In der Tat kann ein Langstock aufgrund seiner Masse (jedenfalls bei entsprechendem Material) und der Hebelwirkung verheerenden Schaden anrichten. Man braucht nur Platz. Aber im Freien wird das kein Problem sein. Und ich kenne keine Vorschrift, die im Wald das Wandern mit einem Wanderstab verbietet. Ein bloßer Stock ist ja keine Waffe im Rechtssinne, sondern eine Gehhilfe insb. für schwieriges Gelände. Wenn man sich die Mühe macht, runden ein Fuchsschwanz und ein paar Schnitzereien den friedlichen Gesamteindruck noch ab. Man sieht dann natürlich ein bisschen aus wie Gandalf, aber irgend etwas ist ja immer.

Probleme könnte es insbesondere an einem Bahnhof geben, wenn die Bundespolizei mal wieder eine Allgemeinverfügung erlassen hat. Verstecken kann man das Teil kaum. Es lohnt sich also, immer im Voraus herauszufinden, wo so etwas droht und wie man ggf. den fraglichen Bahnhof vermeidet. Entsprechendes gilt für Waffenverbotszonen. In beiden Fällen hilft in der Regel eine Online-Recherche weiter.

Der Kampf mit dem Bo (Japanisch für Langstock) wird in diversen Vereinen trainiert. Zwei in Frage kommende Stilrichtungen sind Kobudo und Aikido. Wer schon über eine gewissen Kampfkunst-Erfahrung verfügt und nicht vollumfänglich in einen anderen Stil einsteigen will, ist wahrscheinlich ganz gut damit bedient, mit Hilfe von ein paar Wochenendseminaren, Büchern, Videos und Training mit einem gleichgesinnten Partner die notwendigen Kenntnisse selbst zu erwerben.

Ich möchte hierfür folgende Bücher empfehlen:

“The Art and Science of Staff Fighting” von Joe Varady, Wolfeboro 2016

Der Autor ist ein erfolgreicher Turnierkämpfer im Bereich der historische europäischen Kampfkünste, u.a. mit dem Langstock. In dem Buch beschreibt er die von ihm als besonders erfolgversprechend präferierten Techniken (aus diversen Stilen). Er geht dabei erheblich ausführlicher auf Fragen von Strategie und Taktik ein, als die meisten Kampfsportbücher, die ich gelesen habe. Sehr empfehlenswert. Das Buch ist als Kurs mit neun Stufen aufgebaut. Der Schwerpunkt liegt auf dem Turnierkampf. Ein Turnier ist bei weitem keine Selbstverteidigungssituation, aber es ist näher dran als eine Kata oder reine Theorie. Man kämpft immerhin gegen einen nicht kooperierenden Gegner.

“Bo - Kampf mit dem Langstock: die Kobudo-Waffe aus Okinawa” von Andrea Guarelli, Berlin 2002

Das Buch beschreibt eine der gängigsten Bo-Katas (Solo-Drills) namens Shushi No Kon und zeigt auch Partnerübungen für das Bunkai, d.h. die Anwendungen der Kata in einem realen Kampf. Grundlegende Techniken und Übungen gehen voran. Für Freunde des klassischen Budo-Ansatzes

“Burgundian Poleaxe - The Noble Art of Chivalric Axe Combat” von Jason Smith, Wheaton, 2020

Dieses Buch gibt in moderner Form ein mittelalterliches Manuskript zum Kampf mit der Mordaxt wider. Dies ist praktisch ein Bo mit diversen Spitzen, Klingen und Haken an den Enden. Das Wort Mordaxt beschreibt diese Waffe sehr anschaulich. Die allermeisten Techniken lassen sich aber auch mit einem bloßen Stock ausführen. Sie sind für Grobmotoriker geeignet, da sie ursprünglich von Rittern in voller Plattenrüstung ausgeführt werden mussten. Es werden anfangs ein paar Grundlagen erläutert. Dann folgen jede Menge Partner-Drills, wie im Manuskript beschrieben. Ein faszinierender Blick in die Geschichte unseres Kulturkreises. Und eminent pragmatisch.

Alle diese Bücher beschreiben den Kampf zweier gleichartig bewaffneter Gegner. Zwei Leute, die wie Robin Hood und Little John mit Langstöcken aufeinander einprügeln, stellen heutzutage ein extrem unwahrscheinliches Szenario dar. Es ist daher ratsam, auf Grundlage dieser und anderer Quellen ein Trainingsprogramm für unsere Zeit zusammen zu stellen. Ich halte hier folgende Szenarien für erwägenswert:

  • mehrere Angreifer

  • Angreifer mit einem Messer oder einem kürzeren Stock (z.B. Baseball-Schläger), der den Bo unterlaufen muss

  • unbewaffneter Angreifer, der zwar besiegt werden muss - aber im Rahmen des modernen Notwehrrechts.

Noch ein Hinweis zum Training:

Sicherheit geht vor!

Ich benutze für Partnerübungen grundsätzlich Übungsstöcke aus Plastikrohr, Schaumstoff und Panzer-Tape, um die Verletzungsgefahr zu minimieren. Selbst ein leichter Treffer mit einem Bo aus japanischer Eichen kann ein Gesicht oder Gebiss zerschmettern. Sparring ist daher nur mit solchen “Gummiwürsten” und Schutzausrüstung (Helm!) denkbar. Alles andere ist meines Erachtens ein sicherer Weg zu einem Schädel-Hirn-Trauma!!

Ich möchte weiterhin noch auf einige YouTube-Videos von einem überzeugten Schotten und Bushcraft- / Survival-Experten namens Fandabi Dozi (bürgerlicher Name: Tom Langhorne) hinweisen, die ich interessant finde. Insbesondere sagt er einiges über das Herstellen und Pflegen eines Langstockes zum Wandern.

Spazierstock

Ein Mann von Welt trug vor vielleicht hundert Jahren einen Spazierstock. Es schickte sich nicht mehr, mit einem Rapier, Degen oder Säbel in Öffentlichkeit herum zu laufen, aber so etwas ähnliches wollte man schon dabei haben . Ende des neunzehnten bzw. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurden diverse Bücher veröffentlicht, die sich wenigstens auch mit dem Spazierstock zu Selbstverteidigung befassten. Eines der interessantesten ist

“Self-Defense for Gentlemen and Ladies - A Nineteenth-Century Treatise on Boxing, Kicking, Grappling, and Fencing with the Cane and the Quarterstaff” von Colonel Thomas Hoyer Monstery, Hrsg. Ben Miller, Berkeley, 2015.

Der Autor, Thomas Hoyer Monstery (1824 - 1901) war ein aus Dänemark stammender Glücksritter / Söldner / Duellant / Fecht- und Box-Lehrer, der sich später in den U.S.A. niederließ. Im Jahre 1877 veröffentlichte er verschiedene Artikel zum Thema Selbstverteidigung mit bloßen Händen bzw. diversen Waffen, u.a. dem Spazierstock. Zwei Artikel beschreiben ein relativ einfach zu erlernendes System für den Spazierstock, das - wie in dieser Zeit nicht unüblich - auf militärischen Säbel-Techniken beruhte.

Ich kann dieses Buch nur wärmstes Empfehlen. Ein Mann, der in seinem abenteuerlichen Leben in diversen Kriegen, Duellen und Überfällen gekämpft und überlebt hat, vermittelt uns einen Eindruck in europäische / westliche Kampfkunst im 19. Jahrhundert. Monstery war - nebenbei gesagt - auch einer der ersten, die Frauen in der Kunst des Kämpfens unterrichteten.

Wer tiefer in das Kämpfen mit dem Spazierstock einsteigen möchte, dem empfehle ich folgende DVD von Agilitas-TV:

“Bartitsu - Historische Selbstverteidigung mit dem Spazierstock nach Piere Vigny” mit Alex Kiermeier und Christoph Reinberger, Krefeld, 2018.

Bartitsu ist eine Kampfkunst, die ein etwas spleeniger Engländer namens Edward Barton-Wright aus verschiedenen Kampkünsten um 1900 zusammengebastelt hat: unter anderem französisches Savate, englisches Boxen, japanisches Jiu-Jitsu. Ein Schweizer Kampfkunstlehrer namens Pierre Vigny entwickelte eigens hierfür einen spezifischen Stil für den Kampf mit dem Spazierstock.

Bartitsu hielt sich nicht lange auf dem Markt, wurde aber durch eine Erwähnung in einer Sherlock-Holmes-Geschichte unsterblich. Heutzutage gibt es wieder eine Fan-Gemeinde aus der Sphäre der historischen europäischen Kampfkünste.

Die DVD behandelt umfänglich alles, was man meines Erachtens über das Kämpfen mit dem Spazierstock wissen muss: diverse Schläge und Paraden sowie Grappling. Man sollte aber beachten, das schnelle, harte Schläge auf den Kopf mit einem schweren Knauf vielleicht vor hundert Jahren in London als Notwehr angesehen wurden. Ein deutscher Strafrichter des 21. Jahrhunderts könnte da “differenzierter” herangehen. Man soll sicher Techniken für alle Eventualitäten trainieren, aber ich für meinen Teil würde in der Regel auf die Extremitäten zielen. Ein Schädel ist schnell eingeschlagen.

Zum Sparring empfehle ich wie beim Langstock Trainingswaffen aus Plastikrohr, Schaumstoffisolierung und Panzer-Tape sowie Schutzausrüstung. Partner-Drills macht man am besten mit billigen Spazierstöcken aus Holz

Ein Spazierstock ist keine Waffe, weil er Menschen beim Gehen helfen soll, nicht beim Verletzen anderer Menschen. Die einzige Ausnahme sind solche Exemplare, die ein hirnverbrannter Hersteller als “Selbstverteidigungs-Stock” oder ähnliches verkaufen will. Wenn schon der Hersteller von der Waffenqualität seines Produktes ausgeht, wird ein Gericht dem im Zweifelsfalle folgen. Paradoxerweise sollte man zur Selbstverteidigung nichts kaufen, was explizit zu diesem Zwecke hergestellt und vertrieben wird. Ansonsten sehe ich keine Möglichkeit, zu einer anderen Einordnung nach dem Waffengesetz zu kommen.

Und auch in Waffenverbotszonen oder Bahnhöfen mit Allgemeinverfügen kann ich mir nur schwer vorstellen, dass jemandem eine Gehhilfe weggenommen wird - wenn er nicht gerade eine selbst kreierte Spazierstock-Kata auf der Straße vorführt. Dies kommt natürliche darauf an, wie die jeweilige Verordnung oder Allgemeinverfügung formuliert ist. In Hamburg sind auf der Reeperbahn und um den Hansaplatz “Knüppel” (z.B. Baseballschläger) verboten. Spazierstöcke sollten also in Ordnung sein.

Spazierstock aus zwei Segmenten - zusammengeschoben zu einem kurzen Stock

Ein Alltagsgegenstand, den ich auf keinen Fall unerwähnt lassen möchte, ist eine besonderer Typ Spazierstock. Er ist aus Aluminium und besteht aus zwei Segmenten, die man zur Bestimmung der Länge ineinander schiebt. Die Fixierung erfolgt durch eine unter Federdruck stehende Stahlkugel, die in eines in einer Reihe von Löchern einrastet. Ein Hieb mit der Stockspitze im ausgefahrenen Normalzustand würde den Stock wahrscheinlich an der Verbindungsstelle zwischen den beiden Segmenten beschädigen. Damit könnte man im Ernstfall leben, aber es gibt auch die Möglichkeit, die beiden Segmente maximal ineinander zu schieben. Man erhält dann einen ca. 50 cm langen Stock (mit Spazierstockgriff und entfernbarer Hartgummispitze), der aus zwei ineinander steckenden Metallröhren besteht.

Diese sehr solide Konstruktion wird durch die Reibung der beiden Röhren auch bei schnellen Bewegungen zusammengehalten. Man sehr gut damit zuschlagen. Nichtsdestoweniger handelt es sich meines Erachtens weiterhin nur um eine Gehhilfe, nicht um eine Waffe. Es ist und bleibt ein Spazierstock, den man im Sanitätshaus kauft.

Selbst wenn der Stock in dieser “Konfiguration” als Hiebwaffe anzusehen wäre, so wäre es in einer Notwehrsituation wohl gerechtfertigt, diese in der Öffentlichkeit zu führen. Und trainieren kann man ja zu Hause oder im Verein.

Als Schlagstock kann man auch noch eine größere Taschenlampe benutzen. Ich empfinde diese Teile als etwas schwer und unhandlich, aber man kann sicher wuchtig damit zulangen. Man sollte nur sogenannte “taktische” Taschenlampen vermeiden. Wenn sich etwas schon Waffe nennt, dann ist es auch eine. Siehe oben.

Das Kämpfen mit einem einzelnen, kurzen Stock kann man insbesondere in den Philippinischen Kampfkünsten (Kali/Arnis/Eskrima) lernen. Diese Stile sind weit verbreitet. Ich kann jedem nur empfehlen, sich damit bei Gelegenheit wenigstens etwas zu befassen, wenn er oder sie etwas über den Umgang mit Hieb- und Stichwaffen lernen will. Ich empfehle folgendes Buch für das Eigenstudium:

“The Art and Science of Stick Fighting - A Complete Instructional Guide” von Joe Varady, Wolfeboro 2019

Den gleichen Autoren habe ich schon mit seinem Buch zum Langstock aufgeführt. Das Buch zum Kurzstock ist genauso aufgebaut: ein neunstufiger Kurs mit solider Strategie, Taktik und bewährten Techniken (aus allen möglichen Quellen) zum Turnierkampf. Sehr empfehlenswert.

Zum Sparring empfehle ich wiederum Trainingswaffen aus Plastikrohr, Schaumstoffisolierung und Panzer-Tape sowie ggf. Schutzausrüstung. Partner-Drills kann man mit den üblichen Rattan-Stöcken machen.

Spazierstock aus zwei Segmenten - getrennt

Der genannte Spazierstock kann noch auf eine andere Weise umfunktioniert werden: Man zieht die beiden Segmente ganz auseinander, so dass man mit einem Kurzstock aus Metall in jeder Hand dasteht. Ich habe mit einem Trainingspartner ausprobiert, wie man sich damit gegen zwei Rattan-Stöcke schlägt. Die beiden Segmente sind mit ca. 50 cm etwas kürzer als ein normaler Rattanstock, aber man kann sehr gut mit den Dingern arbeiten.

Den Kampf mit zwei Kurzstöcken lernt man meines Erachtens am besten in einem Verein oder einer Schule für Philippinische Kampfkunst von einem kompetenten Trainer. Jeder muss dann selbst entscheiden, wieviel er können will und wann es genug ist. Wie ich bereits erwähnte, ist es eine gute Idee, wenigstens etwas von den Philippinischen Kampfkünsten zu verstehen.

Für das Partnertraining benutzt man u.a. sogenannte “Sinawalis”. Dies sind fest definierte Schlagmuster. Beide Partner schlagen in verabredeter Art und Weise ihre Stöcke gegeneinander. Dies schleift diese Muster ein und automatisiert sie.

Es gibt unzählige Sinawalis. Ich empfehle, sich auf einige wenige, sehr fundamentale zu beschränken. Diese übt man, bis man sie im Schlaf kann. Dann kann man variieren (nach Rücksprache mit dem Partner!!!!). Statt eines Schlags führt man einen Stich aus. Statt zum Kopf schlägt man in die Beine. Statt eines einfachen Schlages kommt ein Doppelschlag. Es gibt unzählige Kombinationsmöglichkeiten.

Ich persönlich beschränke mich im Wesentlich auf das sogenannte 6-count-Sinawali und das 4-count-Sinawali. Wer wissen will, worum es sich dabei handelt, findet auf YouTube Dutzende, wenn nicht Hunderte von Videos dazu. Wichtig: Es genügt nicht, ein Sinawali fließend schlagen zu können. Man muss auch eine Vorstellung haben, was man da eigentlich tut. Mit ein wenig Vorstellungskraft kann man sich für jede Variante ein Szenario ausdenken und dann mit dem Partner üben.

Schlagverstärker

Jeder harte Gegenstand kann als Schlagverstärker dienen: Handys, robuste Kugelschreiber, ungeöffnete Taschenmesser. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Interessanterweise gilt ein als Schlagverstärker hervorragend geeigneter Gegenstand in Deutschland nicht als Waffe: der Kubotan. Dabei handelt es sich um einen zylindrischen Gegenstand aus Metall, ca. 15 cm lang und 1 cm dick, oft mit abgerundeter Spitze an einem Ende und geriffelter Oberfläche. Laut einem Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes ist aufgrund der “einfachen Ausgestaltung” nicht eindeutig von einer Waffe auszugehen.

Ich halte das angesichts des sehr zielgerichteten Designs eines Kubotan für absurd, aber warum sollte unsereiner nicht auch einmal Glück haben?

Wenn man solch einen Gegenstand in der Faust hält, arbeitet man mit Hammerfaustschlägen, die durch das an der Kleinfingerseite herausragende harte Ende eine zusätzlich “Würze” erfahren. Dabei würde ich vorwiegend knochige Körperteile wie Gesicht oder Handrücken angreifen. Das kann erheblichen Schaden anrichten.

Vorsicht: Wenn man jemandem die Schädeldecke perforiert, wird man anschließend jemand anderem, z.B. in schwarzer Robe, erläutern müssen, warum das denn so zwingend erforderlich war. Das fällt leichter, wenn es auch tatsächlich zwingend erforderlich war.

Stöße mit dem Ende, das auf der Daumenseite herausragt, sind auch möglich, meines Erachtens aber nicht so stark.

Treffer auf Muskelpartien sind sicher schmerzhaft, aber Adrenalin / Drogen / Alkohol können das Schmerzempfinden stark vermindern. Das kann also schiefgehen. Es kann aber auch klappen. Auf das Anvisieren von Druckpunkten (Kyusho-Jutsu) würde ich verzichten. Das wäre mir zu schwierig und zu unsicher in einer Schlägerei.

Das Üben ist relativ unkompliziert. Beim Sparring nimmt man einfach einen weichen Gegenstand, z.B. einen Schwamm, in eine Hand und arbeitet mit Hammerfaustschlägen und Stichen. Wichtig ist, auch das Zusammenspiel zwischen der Waffenhand und der leeren Hand zu üben. Letztere muss nämlich oft den Weg freiräumen, damit der Schlagverstärker auch ankommt.

Auch hier bieten die Philippinischen Kampfkünste Partner-Drills, die nützlich sein können. Ich möchte nur einen Klassiker nennen: Hubud-Lubud. In der Grundform besteht er aus einer einfachen Abfolge von Bewegungen:

A greift mit einem Schlag der rechten Hand zum Kopf an.

B blockt von innen oder pariert von außen mit dem linken Arm.

B übernimmt von unten mit seinem rechten Arm und führt damit den Arm von A nach unten.

B kontrolliert den Ellenbogen von A mit seiner linken Hand.

B greift seinerseits mit einem rechten Schlag zum Kopf an.

A blockt von innen oder pariert von außen mit dem linken Arm

und so weiter. Man muss natürlich beide Seiten trainieren.

Auf YouTube gibt es hunderte (wenn nicht mehr) Videos zum Thema.

Bei all derartigen Endlosdrills gilt Folgendes: Es geht nicht um den Drill. Es geht darum, ihn zu brechen. Mit anderen Worten: Das Ziel ist, locker aus dem Drill heraus von diesem abweichen zu können, um eine neue Technik auszuführen, die den Kampf im Ernstfall beenden würde. Dies kann ein anderer Schlag, ein Tritt, ein Wurf, ein Hebel oder sonst etwas sein.

Schlussendlich will ich in diesem Zusammenhang noch zwei Gegenstände hervorheben: Taschenlampen und Armreifen. Ja. Ihr habt richtig gelesen.

Eine kleine Taschenlampe ist aus Metall, aufgrund der Batterien nicht ganz leicht und liegt gut in der Hand. Besser geht es für unsere Zwecke nur noch, wenn der Einschaltknopf am hinteren Ende ist und daher durch den Daumen betätigt wird. Dann kann man einen Angreifer unter Umständen, also insbesondere in einem dunklen Umfeld, mit der Lampe blenden, bevor man ihm mit der Lampe “heimleuchtet”. Manche Lampen ermöglichen auch einen Stroboskopeffekt. Das ist dann ein Traum.

Wie üblich sind sogenannte “taktische” Exemplare zu vermeiden. Sie sind Waffen. Ich habe meine ganz normale, nicht-taktische Taschenlampe bei ALDI gekauft. Ich sehe nicht, dass man damit jemals in waffenrechtliche Schwierigkeiten gerät.

Manche Armreifen sind ziemlich kräftige Ringe aus Stahl. Mit einer schnellen Bewegung vom Handgelenk in die Hand gezogen, sollte man bzw. frau einen solchen Armreif nutzbringend einsetzen können. Da wird die Schöne zum Biest.

Probleme mit dem Waffenrecht sind hier kaum vorstellbar. Die Bundespolizei wird Bahnreisenden kaum den Schmuck wegnehmen.

Spitze Gegenstände

Unter spitzen Gegenständen verstehe ich hier solche, mit denen man nicht nur ein stumpfes Trauma herbeiführt, sondern die Haut sowie darunter liegendes Gewebe durchdringt und eine tiefe (!), blutende Wunde verursacht. Ich denke hier insbesondere an Werkzeuge wie Schraubenzieher oder Scheren. Diese sind keine Waffen im Sinne das Waffengesetzes und somit in der Öffentlichkeit generell erlaubt. In Waffenverbotszonen oder Bahnhöfen mit Allgemeinverfügungen kann die Welt jedoch anders aussehen!

Im Kampf mit einer solchen Waffe benutzt man wuchtige Stöße, um die Waffe in den Körper des Angreifers zu treiben. Dies hat tiefe, stark blutende Wunden zur Folgen. Wird eine wesentliche Arterie verletzt, kann dies tödlich sein. Dabei bedarf es keiner besonderen Fertigkeit. Aggression und ein wenig (!) Kraft genügen. Ein vierzehnjähriges Mädchen mit einer langen Schere ist ein lebensgefährlicher Gegner, solange sie nur entschlossen angreift.

Man muss kein Jurist sein, um zu wissen, dass man für das verursachen schwerster, unter Umständen tödlicher Verletzungen nachträglich einen verdammt guten Grund liefern muss, z.B. akute Lebensgefahr oder eine drohende Vergewaltigung. Und es kann nicht schaden, dies auch beweisen zu können!

Wer Wert darauf legt, seine Fähigkeiten zu verfeinern, wenn es darum geht, zehn oder zwanzig Zentimeter Stahl in einen anderen Menschen zu treiben - auch gegen dessen Widerstand - findet in der Geschichte ein exzellentes System dieser Art: ersonnen um 1400 n.Chr. von einem Söldner / Fechtlehrer namens Fiore dei Liberi, aufgezeichnet von diesem in vier Manuskripten. Wer etwas mehr über Fiore erfahren will, verweise ich auf meinen Artikel “Die Vier Tugenden eines Kämpfers”. Hier will ich mich auf eine sehr kurze Darstellung des Systems für kurze Stichwaffen beschränken.

Fiore arbeitete mit einem sogenannten Scheibendolch, einer Waffe mit einer langen, robusten Klinge, die hauptsächlich zum Durchstoßen von Kettenpanzerung gedient hat. Die Klinge war nie sehr scharf, oft gab es gar keine Schneide. Der Dolch wurde meist im Eispickelgriff geführt, manchmal auch im Hammergriff.

Der Kampf ist kein modernes Messerfechten. Schnelle, oberflächliche Schnitte bringen nicht viel, wenn jeder wenigstens einen dicken Gambeson (wattierte Jacke), Kettenpanzer oder gar Plattenpanzer trägt. Vielmehr ist es ein extrem brutaler Ringkampf mit dem Ziel, den Gegner zu fixieren, um dann 20 oder 30 cm Stahl in ihm zu versenken.

Ein typischer Drill besteht aus folgenden Elementen:

A führt einen Angriff aus.

B wehrt ihn ab.

B führt eine Kontertechnik gegen A aus.

A führt einen Gegenkonter aus und bringt die Sache zum Abschluss - zum Nachteil von B.

Viele Abwehren erfolgen unbewaffnet, weil man bei einem Angriff realistisch betrachtet oft nicht die Zeit haben wird, den eigenen Dolch zu ziehen, selbst wenn man ihn am Gürtel trägt. Dies entspricht ziemlich genau unseren Bedürfnissen, denn wer hat schon einen spitzen Gegenstand in der Hand, wenn er angegriffen wird?

Für das Partner-Training empfehle ich reguläre Übungsmesser aus z.B. Plastik. Sparring erfordert - wie schon mehrfach erwähnt - Schutzausrüstung und sehr weiche Übungsmesser aus Plastikrohr, Schaumstoff und Panzer-Tape.

Es gibt diverse Schulen und Vereine, in denen Fiore dei Liberis System trainiert wird. Allerdings liegt der Schwerpunkt unweigerlich auf dem Schwertkampf. Kampfringen und Dolchkampf werden eher sekundär behandelt. Wer schon einen adäquaten Hintergrund in passenden Kampfkünsten hat, kann aus den folgenden Publikationen Inspiration und Information beziehen:

“Fiore dei Liberi’s Armizare - The Chivalric Martial Arts System of Il Fior di Battaglia” von Robert N. Charrette, Wheaton, 2011

Dies ist ein guter Überblick über das gesamte System. Mehr als ein Drittel des Buches behandelt den Dolchkampf. Es zeigt nicht alle Drills des Systems. Dafür erklärt es Grundlagen und Hintergründe sehr gut.

“Fiore dei Liberi 1409” von Colin Richards, Apelern, 2007

Hier haben wir ein in deutscher und englischer Sprache verfasstes Arbeitsbuch, dass alle Techniken und Drills zum Kampfringen und Dolchkampf genau erklärt. Es lässt nichts aus und keine Wünsche offen.

“Mastering the Art of Arms - Volume 1 - The Medieval Dagger” von Guy Windsor, Wheaton, 2012

Wer nur eine kurze Einführung in das Thema sucht, ist mit diesem Buch gut bedient. Der Autor ist ein renommierter Fachmann für historischen Schwertkampf, insbesondere nach Fiore dei Liberi.

Und noch ein Wort zum Offensichtlichen: Wer einen Schraubenzieher oder eine Schere in einen Menschen treibt, vielleicht sogar mehrfach, sollte bei Eintreffen uniformierter Berufswaffenträger, auch als Polizei bekannt, das blutige Instrument nicht mehr in der Hand halten. Sonst kommt es noch zu einem tödlichen Missverständnis. Allerdings muss man sich dann keine Sorgen um ein Strafverfahren mehr machen.

Schal, Tuch etc.

Ein flexibles Kleidungsstück im Kampf zu verwenden ist eine eigene Kunst. Man kann damit blocken, fangen, fesseln, würgen und obendrein noch ganz normal schlagen und treten. Als Instrument kommt alles mögliche in Frage: Schal, Mütze, Gürtel. Selbst ein T-Shirt (wenn man die Zeit hat es auszuziehen). Waffenrechtliche Probleme kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen. Anderenfalls müssen wir alle demnächst nackt am Hamburger Hauptbahnhof herumlaufen.

Igitt!

Zum Training empfehle ich folgende DVD:

“Sarong / Malong” mit Timm Blaschke, René-Marc Zeller, Christian Metzner (Darsteller), Lars Kuck (Regisseur)

Die DVD zeigt Techniken aus den philippinischen Kampfkünsten für den Kampf mit dem Sarong, einem breiten Wickelrock. Davon ausgehend werden dann auch Möglichkeiten für westliche Kleidungsstücke und Trageriemen gezeigt.

Es werden Möglichkeiten gezeigt, mit dem Schal abzuwehren, einen Arm oder ein Bein zu fesseln, den Gegner zu Boden zu bringen und dabei - wenn es sein muss - zu schlagen oder zu treten. Der Inhalt deckt alle Eventualitäten ab und wird dem interessierten Autodidakten gut vermittelt.

Kette mit Vorhängeschloss

Ich benutze zum Sichern meines Fahrrades eine Stahlkette mit einem Vorhängeschloss, beides aus dem Baumarkt. Vergleichbare Konstruktionen sind handelsüblich. Es handelt sich nicht um Waffen, weil sie nicht zum Verletzen von Menschen gedacht sind, sondern zum Schutz von beweglichem Eigentum. Ich benutze meine Kette seit Jahren. Sie hängt offen an meinem Fahrrad. Ich hatte noch nie ein Problem deswegen.

Im Gegensatz hierzu macht man sich schon strafbar, wenn man einen Stein in eine Socke legt und so einen Totschläger herstellt. Totschläger sind biegsame Hiebwaffen, bei denen ein Ende durch Metall oder ähnlich hartes Material beschwert ist. Die Biegsamkeit ist entscheidend, weil sie durch die Schleuderwirkung die Schlagenergie erheblich verstärkt.

Um es noch einmal klar zu sagen: Totschläger sind verbotene Gegenstände. Finger weg!

Zu diesem Thema verweise ich den Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes zur sogenannten “Monkey Fist”. Er ist kurz und bündig und sagt alles Wichtige zum Thema Totschläger.

Warum reite ich so auf dieser Rechtsfrage herum? Ganz einfach: Ich möchte verhindern dass jemand unter meinen geneigten Lesern glaubt, sich als Waffenschmied und Waffenrechtsexperte gleichzeitig aufführen zu müssen. Ich rate dezidiert davon ab, sich etwas zu bauen, das als Waffe dienen soll und das man gegebenenfalls mit fadenscheiniger Begründung als Alltagsgegenstand zu verkaufen sucht. Polizisten mögen es genauso wenig wie jeder andere, verschaukelt zu werden.

Was immer man bei sich führt, das flexibel ist und zum Zuschlagen geeignet, muss ganz klar einem friedlichen Zweck dienen! Ein Einsatz im Kampf muss eine Zweckentfremdung darstellen!

Das Training mit flexiblen und harten Gegenständen hat einen entscheidenden Nachteil: Es ist sehr gefährlich. Früher oder später haut man sich das harte Ende selbst (oder einem Trainingspartner) um die Ohren. Und das ist wenigstens sehr schmerzhaft, oft auch der Gesundheit stark abträglich.

Wir brauchen daher Übungsgeräte, die Treffer ohne verheerende Wirkung erlauben. Ich habe zwei solcher Objekte, die “Reissocken” genannt werden. Ich brauche sie beim Training von Kuntao, dem Kung-Fu der chinesischen Minderheit in Indonesien. Der Trainer, Kit Sién Tjong, hat die Reissocken entworfen, um die Koordinationsfähigkeit damit zu verbessern. Ich benutze sie regelmäßig, und bislang wurde nur mein Stolz verletzt, wenn ich mir mal wieder selbst eine verpasst habe.

Hier ist die Bauanleitung:

Es gibt keine absolute Sicherheit. Wie sagte meine Mutter immer? “Man kann sich den Finger in der Nase brechen.” Dass ich diese Bauanleitung veröffentliche, stellt keine Garantie dafür dar, dass man sich nicht doch mit einer Reissocke verletzen kann. Jeder trainiert damit auf eigene Gefahr und sollte sich einen qualifizierten Trainer suchen.

Noch etwas: Reissocken dienen dazu, Verletzungen beim Training zu vermeiden! Waffen sind dazu bestimmt, Verletzungen im Kampf herbeizuführen. Ergo sind Reissocken keine Waffen.

Merkt man, dass ich Anwalt bin?

Zurück zum Thema:

Es gibt verschiedene Methoden, mit einer Kette zu kämpfen:

Erstens kann man die Kette wie ein flexibles Kleidungsstück einsetzen, z.B. zum Blocken oder Binden. Ich verweise auf meine Ausführungen oben.

Zweitens kann man ein Ende der Kette in einer mehr oder wenigen geraden Linie auf den Gegner schleudern. Das Vorhängeschloss schnappt dann peitschenähnlich in das Ziel und richtet Schaden an.

Drittens kann man die Kette ganz klassisch schwingen und damit auf das Ziel eindreschen. Aufgrund der auftretenden Zentrifugalkräfte kann die Wirkung verheerend sein.

Ich kenne nur zwei Bücher zum Thema:

“Ninja Weapons - chain and shuriken” von Charles V. Gruzanski, Hong Kong, 1967

Das schmale Werk beschreibt grundlegende Stände, Schleuder- und Schwing-Techniken sowie diverse Grappling-Techniken nach dem Binden mit der Kette.

“Flexible Weapons” von John Sanchez, Boulder / Colorado, 1981

Das Buch (ursprünglich auch von Paladin Press) ist sehr praxisorientiert. Es gibt gleich am Anfang Hinweise zum sicheren Training. Sehr interessant fand ich auch die Hinweise zum unterschiedlichen Verhalten der Waffe nach dem Auftreffen, je nachdem ob die Masse der Waffe gleichmäßig verteilt ist oder nicht. Im ersten Fall zieht die Waffe nach dem Aufprall einfach weiter am Ziel vorbei. “Kopflastige” Waffen prallen ab und zurück.

Waffen unterschiedlicher Länge und die dafür geeigneten Techniken (Angriff wie Verteidigung) werden zügig aber ausreichend beschrieben. Im Grunde braucht man auch nicht viele Informationen. Das meiste ist offensichtlich. Man muss es halt üben.

Dieser schmale Band kann (zur Zeit) online gelesen werden. Einfach googlen.

Abschließende Gedanken

Es hat mir Spaß gemacht, mal systematisch zu durchdenken, was man alles zur Selbstverteidigung einsetzen kann, das gar nicht dafür gedacht ist und - viel wichtiger - wie bzw. aus welchen Quellen man sich die diesbezüglichen Fertigkeiten auch aneignen kann. Ich habe ja schon an anderer Stelle mein Ziel definiert:

“Ich will auf alle Distanzen in jedem denkbaren zivilen Kontext mich oder andere kompetent und gesetzeskonform verteidigen können, sowohl unbewaffnet als auch mit Gegenständen. Und ich will all dies auch effektiv lehren können.”

Das für mich (oder andere) passende System für jeden Gegenstand zu (er)finden, verspricht eine interessante Reise zu werden. Ich freue mich schon darauf.

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